Wie alle Erstgeborenen seines Reiches steht Kian unter einem Fluch: Bei Sonnenuntergang löst er sich in Schatten auf und nimmt erst am nächsten Tag wieder menschliche Gestalt an. Cerise fühlt sich sofort zu Kian hingezogen und macht es sich zur Aufgabe, den Fluch zu brechen. Dabei muss sie alles hinterfragen, woran sie bisher geglaubt hat. Während sie ihre eigenen Kräfte entdeckt und erkennt, wer sie in Wahrheit ist, plant ein übermächtiger Gegner längst ihren Untergang.
Besonders interessant an diesem Fantasyroman ist die Verbindung zwischen einem alten Verbrechen und der Rache, die die Blutlinien aller beteiligten Familien heimsucht. Cerises Entwicklung von der unsicheren, als unfähig geltenden Seherin hin zu einer kämpferischen, selbstbewussten Frau ist erfreulich und glaubwürdig dargestellt. Die Dialoge wirken modern und pfiffig. Auch die Themen Glaube, Machtmissbrauch und die bewusste Aufrechterhaltung männlicher Dominanz sind klug eingeflochten und hochaktuell.
Trotz dieser positiven Aspekte empfand ich beim Lesen manches als unausgewogen. Cerises Charakter erscheint zunächst widersprüchlich – mal unsicher und zaghaft, dann plötzlich unkonventionell und keck. Die Beziehung zwischen Kian und Cerise bleibt für mich wenig plausibel, und die eingefügten Sexszenen wirkten aufgesetzt und überflüssig. Auch die zahlreichen erklärenden Passagen bremsen den Spannungsfluss immer wieder aus.
Alles in allem bietet der Roman viele interessante Ansätze, aber auch noch einiges an Entwicklungspotenzial. Man darf gespannt sein, wie sich die Geschichte in der Fortsetzung weiter entfaltet.
Melissa Landers: The Half King. Von Schatten gekrönt
Erschienen am 25.2.2025 bei Reverie (HarperCollins). Bildrechte: Reverie